Die Zeit ist reif: BKK fordert verbindliche Verschreibungsrichtlinien für Antibiotika
Antibiotika werden immer noch zu oft und viel zu viel verschrieben. Dies gilt insbesondere in Hamburg, wie die nachfolgende aktuelle Analyse des BKK-LV NORDWEST zeigt.
Der BKK-Landesverband NORDWEST begrüßt die von der Landeskonferenz beschlossene gemeinsame Strategie- und Öffentlichkeitskampagne in Hamburg. Gleichzeitig fordert er verbindliche Richtlinien für die Verordnung von Antibiotika und die Durchführung der in medizinischen Leitlinien empfohlenen Testverfahren.
Dr. Dirk Janssen, stellvertretender Vorstand des BKK-Landesverband NORDWEST: „Während der Gesetzgeber aus guten Gründen die Verordnung von Betäubungsmitteln reglementiert, werden Antibiotika nach wie vor nach dem Motto ‚viel hilft viel‘ verschrieben. Angesichts der Bedrohungen durch multiresistente Keime ist die Zeit reif, auch für Antibiotikaverordnungen eine verbindliche Richtlinie zu erlassen.“
Während die Verordnungshäufigkeit bei BKK-Versicherten beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern seit 2014 um 3% zurück gegangen ist, ist sie in Hamburg um 1,8% gestiegen.
Obwohl ein Antibiotikum ausreichen sollte, erhält jeder zweite Patient in Hamburg bei der Diagnose Harnwegs- oder Wundinfektion mindestens ein zusätzliches Antibiotikum. Die Ursache dafür oftmals: Multiresistente Keime, bei denen nur noch wenige Antibiotika wirken. Durch einen ungezielten Einsatz von Antibiotika werden Resistenzen noch befördert:
Nur bei 5% aller Infektionen wurden im Jahr 2017 Testverfahren, das sogenannte Antibiogramm, zur gezielten Antibiotikatherapie eingesetzt. Dieses Testverfahren wird seit 2014 sogar um 8% seltener eingesetzt.
Bei der Verordnung von Reserveantibiotika wird in Hamburg seit 2014 unverändert nur bei jedem sechsten Patienten eine vorherige diagnostische Abklärung durchgeführt. Damit besteht eine große Gefahr, dass auch diese letzten Mittel gegen multiresistente Keime wirkungslos werden.
Mit einem rationalen Einsatz allein bei den Diagnosen Harnwegs- und Wundinfektion sowie dem Verzicht von Antibiotika bei Erkältungen könnten in Hamburg jährlich 1,4 Tonnen Antibiotika vermieden werden. Bezogen auf ganz Deutschland ergibt sich ein jährliches Reduzierungspotenzial von 68 Tonnen.