BKK-Untersuchung zur Pflege in NRW: Pflegedefizite führen zu oftmaligen Krankenhausaufenthalten

Über die Hälfte der Pflegebedürftigen in Nordrhein-Westfalen mussten in 2017 mindestens einmal ins Krankenhaus. Jeder vierte Pflegebedürftige wurde im untersuchten Zeitraum sogar 2 bis 4 Mal in eine Klinik aufgenommen. Bei über 2/3 der Krankenhausaufnahmen wurde z. B. Flüssigkeitsmangel, Wunden aufgrund zu langem Liegen oder sturzbedingte Verletzungen festgestellt, also Aufnahmegründe, die auf Pflegedefizite hindeuten.
Das ergab jetzt eine Auswertung des BKK-Landesverbandes NORDWEST in Essen.
Dehydrierung aufgrund zu geringer Flüssigkeitsaufnahme wurde bei Pflegeheimbewohnern um fast 1/3 häufiger diagnostiziert als bei Pflegebedürftigen, die Zuhause von einem Pflegedienst betreut wurden. Auch sturzbedingte Verletzungen und Druckgeschwüre wurden bei Pflegeheimbewohnern deutlich häufiger im Krankenhaus festgestellt, als bei ambulant betreuten Pflegebedürftigen.

Ebenfalls auffällig ist, dass bei 40% der stationär gepflegten Patienten sog. Neuroleptika verordnet werden und damit deutlich häufiger als bei Pflegebedürftigen, die im häuslichen Umfeld betreut werden (32%). Neuroleptika werden als Beruhigungsmittel bei Unruhe, Ängsten und Erregungszuständen eingesetzt.

Die auffälligen Unterschiede zwischen stationär und ambulant gepflegten Menschen sind möglicherweise eine Folge des Per-sonalmangels in den Pflegeheimen. Beweisen lässt sich dies jedoch derzeit nicht. Prof. Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (Köln): „Obwohl die Pflege eine immer größere Bedeutung hat, fehlt in Deutschland die pflegeepidemiologische Basis, um Ursachen und Folgen von Entwicklungen fundiert beurteilen zu können. Sinnvolle, langfristig orientierte Entscheidungen der Politik sind so kaum möglich.“

Dirk Janssen, stellvertretender Vorstand des BKK-Landesverbandes NORDWEST: „Unsere Untersuchung zeigt, dass die Routinedaten der Krankenkassen einen Datenschatz darstellen, um Auffälligkeiten zu identifizieren. Er muss nur ge-hoben werden. Ich schlage daher die Einrichtung eines Pflegeregisters vor, in dem die pflegerelevanten Daten aller Krankenkassen der Versorgungsforschung zur Verfügung gestellt werden.“ Mit den pseudonymisierten Daten aller Pflegebedürftigen ließen sich auch (Qualitäts)Unterschiede zwischen einzelnen Heimen bzw. Pflegediensten aufzeigen. „Dies könnte auch ein echter Beitrag für die Entbürokratisierung sein, wenn der Medizinische Dienst der Krankenversicherung gezielt diese Auffälligkeiten prüft, statt mit der Gießkanne alle Heime gleichermaßen“, sagt Dirk Janssen.

Prof. Isfort sieht die Routinedaten der Krankenkassen auch als Chance, ergebnisorientierte Qualitätsparameter entwickeln zu können. „Dies könnte die seit Jahren in der Kritik stehenden Pflegenoten ablösen oder zumindest ergänzen, was zu einer besseren Orientierung für die Pflegebedürftigen bzw. derer An-gehöriger führen kann“, so Isfort.

Die Untersuchung des BKK-Landesverbandes NORDWEST ist das Ergebnis einer Analyse der Abrechnungsdatenvon acht Betriebskrankenkassen mit 1,09 Mio. Versicherten und 26.000 Pflegebedürftigen ab dem Pflegegrad 2 in NRW.