Die Digitalisierung und der damit verbundene Wandel in allen Bereichen unseres Lebens gehören seit längerem zu den wesentlichen Gestaltungsaufgaben der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Pandemiebedingt befinden wir uns seit Monaten in gleichermaßen schwierigen, wie auch spannenden Zeiten der Veränderung.
Die digitalen Veränderungen, die wir durch die Corona Pandemie schnellstens erfahren mussten, sollen hierbei wegweisend, insbesondere für eine bürgernahe Digitalisierungsstrategie, genutzt werden. Der BKK-Landesverband NORDWEST unterstützt daher die Landesregierung NRW ausdrücklich im Hinblick auf eine bürgernahe Digitalstrategie, die uns seit Jahren am Herzen liegt, schließlich hat die Kassenart BKK als erste ein Data Warehouse ins Leben gerufen.

Das Charakteristikum einer bürger- und verbraucherfreundlichen, einfachen Handhabung digitaler Anwendungen nach dem Motto „von Menschen für Menschen“ muss dabei explizit in den Fokus der Veränderungen/Anpassungen genommen werden. Unterschiedliche digitale Unterlagen müssen zum Beispiel für die Bürger*innen/Patient*innen in dieser Gesamtstrategie in einheitlichen Formaten verfügbar gemacht werden. Es ist daher die Schaffung von „einheitlichen Quellen“ beim digitalen Abrufen, z.B. im Formularwesen, bei der Entwicklung einer neuen Digitalstrategie des Landes NRW dringend anzustreben. Ein Abrufen an möglichst einheitlichen Stellen ist daher für uns im Sinne der Verbraucherfreundlichkeit unabdingbar.

Im Rahmen der Digitalstrategie des Landes NRW nimmt das Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH (ZTG), an dem wir uns als BKK-Landesverband NORDWEST als Gesellschafter und im Aufsichtsrat engagieren, einen ganz wesentlichen Baustein ein. Für die Bürger*innen/Patient*innen werden hier wichtige Anwendungen -bundesweit einzig in dieser Tiefe- mit Vertreter*innen der GKV, der Leistungserbringer und der Industrie pilotiert erarbeitet. Als wesentliche Beispiele lassen sich hier die Überprüfungen von medizinbasierten Apps und das Telemonitoring nennen. Dieser Verbraucherschutzaspekt der ZTG muss noch eine deutlich höhere Fokussierung erfahren.

Im Folgenden unsere Stellungnahme zu:

Gesund und selbstbestimmt leben mit Hilfe digitaler Technologien

Inhalte der elektronischen Patientenakte
Die Betriebskrankenkassen begrüßen die Möglichkeit, Daten der DiGA in der ePA zu speichern. In diesem Zusammenhang regen die Betriebskrankenkassen an, auch Daten betreffend ärztlicher Präventionsempfehlungen in der ePA zu speichern, um eine Steigerung der Reichweite ärztlicher Präventionsempfehlungen im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen nach § 25 und § 26 SGB V zu gewährleisten.

Wir sprechen uns in diesem Zusammenhang auch für eine weitere Ausdehnung von Online-Präventionskursen aus, wobei keine Zertifikationshemmnisse aufgebaut werden dürfen.

Ebenso müssen Angaben in der ePA zu Medikamenten und Operationen obligatorisch werden. Daher unterstützt der BKK- Landesverband NORDWEST den Vorstoß, dass sowohl Inhalte des Medikationsplans entsprechend § 341 Abs. 2 Nr. 1 b SGBV als auch Daten zu durchgeführten und geplanten Therapiemaßnahmen nach § 341 Abs. 2 Nr. 1a SGB V künftig verpflichtend Bestandteil der ePA werden sollen.

Im Rahmen von Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit erachten wir Hinweise zur richtigen Entsorgung von Medikamenten (nicht über die Toilette entsorgen, sondern über Restmüll) für dringend geboten, um den Eintrag von Medikamenten in den Wasserkreislauf zu unterbinden. Ein Hinweis in der ePA könnte unserer Erfahrung nach hierzu effektiv beitragen.

Hinweise der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen sind bereits nach § 334 Abs. 1 Nr. 3 SGB V Anwendungen der TI und sollen von der eGK unterstützt werden. Auch weitere Speichermöglichkeiten im Sinne von Verbraucherschutz, wie ergänzende Angaben zum Inhalt der Versorgungsvollmacht oder der Patientenverfügung müssen im Rahmen einer neuen Digitalstrategie für das Land NRW Berücksichtigung finden. Nach dem DVPMG (§ 357 Abs. 4 SGB V) sollen Hinweise zur Versorgungsvollmacht oder der Patientenverfügung zukünftig (ab 2023) in der Patientenkurzakte gespeichert werden. Wir halten diese Vorgehensweise für den richtigen Weg, wobei es hinsichtlich des angedachten Umsetzungszeitpunktes wegen der Dringlichkeit einer solchen Maßnahme keine weiteren Verzögerungen geben darf.

Gleichermaßen hatten wir uns bereits seit längerem dafür eingesetzt, auch den Organspenderausweis mit einer Speichermöglichkeit in der ePA zu verbinden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der*die Versicherte alle Möglichkeiten einer effektiven Speicherung seiner persönlich wichtigen und im Notfall essentiellen Daten erhält. Dass der Organspenderausweis inzwischen bereits nach § 334 Abs. 1 Nr. 2 SGB V eine Anwendung der TI ist, unterstützen wir daher. Nach dem DVMPG (§ 356 Abs. 3 SGB V) soll der Organspenderausweis aber auch erst ab 2023 in der Patientenkurzakte gespeichert werden. Auch hier sehen wir die Notwendigkeit, einer schnellen zügigen Umsetzung.

Unmittelbare Übermittlung von Leistungsdaten an Krankenkassen als vorläufige Information
Nach § 305 SGB V hat der*die Versicherte Anspruch auf Auskunft über die von ihm*ihr in Anspruch genommenen Leistungen. Heute werden die Daten der Leistungen, die in der vertragsärztlichen bzw. vertragszahnärztlichen Versorgung erbracht werden, im Rahmen der Abrechnung mit sechs- bis neunmonatigem Zeitverzug von den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen übermittelt. Eine Auskunft gegenüber dem*der Versicherten ist damit im Hinblick auf diese Daten unvollständig.

Diese Lücke zeigt sich auch in der Umsetzung des § 68b SGB V: Um gezielte individuelle Versorgungsangebote unterbreiten und Versicherte in einer akuten Erkrankungsphase begleiten zu können, müssen den Krankenkassen jedoch zeitnahe Informationen zu einer Erkrankung vorliegen. Ein Versorgungsangebot, das auf veralteten Daten aufgebaut ist, kann nicht zur rechten Zeit den Bedarf des*der Versicherten und somit der erkrankten Menschen decken.

Darüber hinaus ist in Zeiten der Corona-Pandemie sehr deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass Versorgungsdaten den Krankenkassen zeitnah vorliegen, damit diese eine schnelle und effiziente Versorgung der Betroffenen sicherstellen können. Beispielhaft sei die in die Kritik geratene Ermittlung der Leistungsberechtigten von FFP2-Masken genannt, die nur anhand „veralteter“ Daten erfolgen konnte.

Um diese Lücken zu schließen, sollen die Ärzte und Zahnärzte künftig verpflichtet werden, diese Informationen zeitnah als vorläufige Informationen zur Verfügung zu stellen. Der Abrechnungsprozess und die Abrechnungsdaten bleiben unberührt. Stattdessen könnten Prozesse, wie bspw. die der Übermittlung der Aufnahmediagnosen in Krankenhäusern, die innerhalb von 3 Tagen an die jeweilige Krankenkasse übermittelt werden, als Vorbild dienen. Des Weiteren ist auf die eAU Strukturen zu verweisen. Diese aufgebauten Strukturen könnten zu Nutze gemacht werden, indem die Krankenkassen über die eAU die Diagnosedaten direkt übermittelt bekommen. Der Abrechnungsprozess könnte auch hierbei außen vor bleiben.

Anpassung der Pflegekurse an das digitale Zeitalter
Die weltweit noch anhaltende Pandemie hat gezeigt, wie wichtig der Rückgriff auf moderne Medien in Krisenzeiten ist.

Pflegekurse sind in Deutschland eine verpflichtende Leistung der Pflegekassen für Pflegende, um unter anderem die häusliche Pflege zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern.

Gesetzlich geregelt ist der Anspruch auf solche Schulungskurse in § 45 SGB XI.

Pflegekassen können Pflegekurse selbst durchführen oder Dienstleister mit deren Durchführung beauftragen. Für die Umsetzung von § 45 SGB XI gibt es jedoch keine einheitlichen kassenübergreifenden Richtlinien. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl unter-schiedlicher Rahmenvereinbarungen zwischen Kassen und Leistungserbringern. Derzeit sind folgende Formen von Pflegekursen möglich: Vor-Ort-Schulungen in der häuslichen Umgebung, Präsenz-Seminare sowie Online-Kurse.

Gerade in Zeiten von Corona waren die Online Pflegeschulungen für viele Pflegende die einzige Möglichkeit der zeit- und ortsunabhängigen Wahrnehmung der Schulungsangebote.
Leider ist es noch nicht gesetzlich definiert, dass diese Schulungen nicht nur als Online-Kursangebote angeboten und durchgeführt, sondern auch im Sinne des § 45 SGB XI für die Teilnehmer*innen im Rahmen einer Online Schulung auch finanziert und anerkannt werden. Hier muss zügig eine Schließung dieser Gesetzeslücke zugunsten der Online Pflegekurse und eine Verankerung in die Digitalstrategie des Landes NRW angestrebt werden.

Ebenso sind diese Online Pflegekurse künftig weiter auszubauen und im Sinne des Verbraucherschutzes auch um Themen der Ernährung in der Pflege und der Entsorgung von Medikamenten zu erweitern.

Nutzergerechte und verbraucherfreundliche Onlineportale

Vereinbarung von Impfterminen
Gerade in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass viele neue (Online-)Angebote sehr schnell umgesetzt werden mussten. Jedoch stand dabei der/die Nutzer*in/Verbraucher*in nicht immer im Vordergrund. Dies zeigt sich z.B. aktuell bei der Umsetzung der Impfterminvereinbarung.
Städte und Gemeinden haben Portale bereitgestellt, worüber Bürger Impftermine vereinbaren oder sich für überschüssige Impfdosen vormerken lassen können.

Einige Portale setzen jedoch voraus, dass jede Person (auch die über 80järigen) entweder über eine E-Mail-Adresse oder eine Mobilfunknummer verfügt, denn nur mit einer eindeutigen E-Mail-Adresse oder Handynummer werden Termine vergeben. Wollte man als pflegender Angehöriger mehr als eine Person (z.B. die Eltern) anmelden, waren schon zwei E-Mail-Adressen erforderlich. Hier kommt der Verbraucher und insbesondere pflegende Angehörige an seine/ihre Grenzen.

Ärztliche Bescheinigungen als berechtigte Person einer höheren Risikogruppe
Des Weiteren verlangen einige Portale ärztliche Bescheinigungen um sich als berechtigte Person einer höheren Risikogruppe vormerken zulassen. Doch die Information, die in den
Portalen abgefragt werden, stimmen nicht mit den Formulierungen der ärztlichen Bescheinigungen überein, so dass die Nutzer*innen der Portale mit der Beantwortung der Fragen schlicht überfordert sind. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht nur wichtig, dass die Anwendungen zeitnah umgesetzt werden, sondern auch für die Zielgruppe unkompliziert
implementiert werden.

Regelungen im Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) NRW
In Zeiten der Pandemie dürfen Personalratssitzungen im digitalen Format durchgeführt werden. Virtuelle Personalversammlungen sind in vielen Betrieben/Institutionen nach einem Jahr Leben mit Corona zwar technisch möglich, aber im LPVG NRW ausdrücklich nicht vorgesehen.

Die Personalräte können mithin die Verpflichtung zur Durchführung einer Personalversammlung wegen der Nichtdurchführbarkeit von Präsenzveranstaltungen unter Pandemiegesichtspunkten nicht erfüllen (§ 46 Abs. 1 LPVG NW).

Bei der Überarbeitung der Digitalstrategie NRW ist dringend darauf zu achten, dass auch die so notwendigen Bereiche der Personalvertretung nicht vergessen und entsprechend der digitalen Möglichkeiten, insbesondere in Krisenzeiten angepasst werden.